Robertas Geschichte

Meine Adoptionsgeschichte

 

Ich wurde am 22.02.1973 als Roberta Giangualano in Lauterbach/Hessen geboren, wo meine Mutter in einem Mutter-Kind-Heim lebte. In diesem Heim verbrachte ich mit ihr auch die ersten 5 Monate meines Lebens. Dann gab sie mich zur Adoption frei. Ich kam in ein Kinderheim, in dem ich aber nur ca. 4 Wochen blieb, dann wurde ich von meinen zukünftigen Adoptiveltern abgeholt und 1 Jahr später adoptiert. Da meine Mutter Italienerin war besaß auch ich die italienische Staatsbürgerschaft. Meine Adoptiveltern beantragten die deutsche und einen anderen Namen gleich dazu.

Ich wuchs überbehütet in meiner Adoptivfamilie auf. Mit einem Vater, den ich nur in seinem Urlaub sah, einer Mutter, die mir und meine Adoptivschwester, die 3 Jahre nach mir adoptiert wurde, mit ihrer Fürsorge die Luft zum Atmen nahm und einer Schwester, wie sie mir unähnlicher nicht sein könnte, mit der mich unsere gemeinsame Kindheit aber zusammengeschweißt hat.

Über die Tatsache, daß ich adoptiert wurde hat mich meine Mutter als Kleinkind in Kindergeschichten aufgeklärt, wie sie mir sagte. Ich wuchs mit diesem Wissen auf und war im Verlauf meiner Schulkarriere mehr als einmal dankbar dafür, wenn Mitschüler und Lehrer meinten, mich darüber aufklären zu müssen, daß meine Eltern nicht meine richtigen Eltern sind.

In der Pubertät fing ich dann an, mich stärker für meine leiblichen Eltern zu interessieren, zumal mein Verhältnis zu meinen Adoptiveltern zunehmend schlechter wurde. Ich entwickelte meine eigene Persönlichkeit, die sich von der meiner Adoptivfamilie sehr unterscheidet. Wir haben außer den gemeinsam verbrachten Lebensjahren keinerlei Gemeinsamkeiten. Als ich mit 16 einmal meinen Impfausweis in Händen hielt fragte ich mich, warum das Namensfeld mit einem weißen Zettel überklebt war. Meine Neugier ließ mich den Zettel abmachen und ich fand darunter einen mir unbekannten Vor- und Nachnamen. Und zwar einen italienischen! Ich hatte in den Jahren zuvor meine Eltern immer wieder gefragt, ob ich deutsch sei, weil ich, wenn ich in den Spiegel schaute, daran Zweifel hatte. Meine Eltern sagten mir, ich sei Deutsche. Und dann das! Ich stellte meine Eltern zur Rede und sie gaben kleinlaut zu, ja , "Du bist von einer Italienerin. Aber jetzt bist Du deutsch."
Ich fühlte mich hintergangen. Und bestohlen. Sie hatten meinen Namen und sogar meine Nationalität gestohlen. Und ich fühlte mich abgelehnt, denn für meine Eltern, die deutsche Kinder wollten, war ich nie das, was sie wollten.
Heute weiß ich, daß ich ohnehin nie das hätte sein können, was sie sich wünschten - ein eigenes Kind!

Nach diesem Erlebnis fing ich an, in den Adoptionsunterlagen zu stöbern, die mir meine Eltern auf meine Nachfrage hin ausgehändigt hatten. Auf mein Drängen begleitete meine Mutter mich auch zum Jugendamt.

Dort wurde ich auch wieder belogen. Ich müsse warten, bis ich 18 sei.
Mit 21, ich war zwischenzeitlich zu sehr mit Dingen wie Abitur machen und berufliche Zukunft in Angriff nehmen beschäftigt, kontaktierte ich wieder das Jugendamt. Ich wurde zu einem Gespräch ins Amt gebeten, in dem ich die Beweggründe für meine Suche darlegen sollte. Ich wurde dann wieder nach hause geschickt mit der Auskunft, man werde meine Mutter anschreiben und fragen, ob sie einen Kontakt wünsche. Monate gingen ins Land. Ich rief wieder an. Nein, sie hätte sich noch nicht gemeldet. Ich bat darum, die Adresse zu überprüfen und einen weiteren Brief zu schreiben. Wieder hörte ich nichts. Ich fragte wieder nach. Eine andere Sozialarbeiterin sei jetzt zuständig.
Wieder wurde ich zum Gespräch geladen und dann heimgeschickt mit dem Versprechen, noch einmal zu versuchen, einen Kontakt herzustellen. Diesmal wurde ich kurze Zeit später angerufen. Die Sozialarbeiterin fragte mich, ob ich nach wie vor daran interessiert sei, meine leibliche Mutter kennenzulernen. Ich fragte zurück, warum sie annehme, daß nicht. Nach mittlerweile 7 Jahren Suche. Die Antwort die dann kam hatte ich nicht erwartet. "Es tut mir leid, aber Ihre Mutter ist leider vor 2 Jahren verstorben." PENG! Ich konnte es nicht glauben. Wollte es nicht glauben. Ob ich denn die Verwandten meiner Mutter kennenlernen wolle, sie würde sich dann darum bemühen, einen Kontakt herzustellen.Ja ja, bitte tun Sie das. Danke für den Anruf. Auf Wiederhören.
Alles was ich dachte war: ZU SPÄT

Kurze Zeit später lernte ich dann die Schwestern meiner Mutter kennen. Sie leben nur 20 Kilometer von mir entfernt. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und habe auch nach wie vor einen guten Kontakt.
Dennoch werde ich auch dort, ebenso wie in meiner Adoptivfamilie immer eine Fremde bleiben. In meinem deutschen Umfeld bin ich die Italienerin, dort die Deutsche.
Nur in meiner eigenen kleinen Familie, mit meinem Sohn, kann ich einfach ich sein.

Auch meine beiden Halbbrüder, die, wie ich dann erfuhr, auch nicht bei unserer Mutter aufgewachsen sind, lernte ich kennen. Obwohl ich beide sehr gern habe, ist das Verhältnis doch sehr schwierig.

Dieses Kennenlernen fand vor nunmehr 5 Jahren statt. Alles hatte sich eingespielt. Mit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Adoption im Rahmen meiner Diplomarbeit für mein Sozialpädagogikstudium und der zeitgleichen Geburt meines Sohnes hatte ich das Thema Adoption für mich in den Hintergrund gestellt, auch wenn ich es niemals völlig verdrängen konnte oder wollte. Vor allem als mein Sohn 5 Monate alt war fragte ich mich wieder oft nach dem Beweggründen meiner Mutter. Sie nicht mehr fragen zu können wird immer eine Wunde hinterlassen.

Danach wurde es zum Thema Adoption ruhig in meinem Kopf.
Bis ich wieder jemanden kennenlernte, der es mir wieder ins Bewußtsein brachte.
Und hier bin ich, schreibe meine Geschichte.
Es wird mich nie im Leben loslassen.
Das kann es nicht, es ist ein Teil von mir.
Meine Geschichte hat mich schließlich zu der gemacht, die ich heute bin.

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