Alis Geschichte

Schlimme Kindheit

 

Ich heiße Angelika Sabine (genannt Ali) und bin am 21.10.1948 in einem Mütterheim in Kiel geboren, seit 1968 mit Horst verheiratet, habe 1 Sohn (31 Jahre, Arzt) und 1 Tochter (23 Jahre, MTLA) und bereits 1 Monat nach meiner Geburt von meinen A-Eltern als Pflegekind aufgenommen worden.

Meine A-Mutter ist Bulgarin mein A-Vater Deutscher. Als ich 5 Jahre alt war konnten meine A-Eltern mich adoptieren. Ich wurde von meinen A-Eltern sehr streng erzogen, wurde sehr gut versorgt, d.h. ich bekam alles was ich zum Leben brauchte (neue Kleidchen, reichlich zu Essen) aber nicht die bedingungslose Liebe, die ein Kind von leiblichen Eltern normalerweise bekommt. Bis zum 14 Lebensjahr habe ich in einem Gitterbett geschlafen, in dem mir beide Hände mit Mullbinden an die Gitterstäbe gebunden wurden. Ich durfte nie bei Freundinnen schlafen. Ich durfte mich beim Spielen nur in Pfeifweite vom Haus entfernen. Ich durfte nicht krank sein. Ich durfte mich nicht verletzen. Wenn ich ungezogen war, hat meine A-Mutter mich mit dem Kochlöffel verhauen und nicht mehr mit mir gesprochen. Das "Nichtreden" war für mich die schlimmste Strafe. Wenn wir in die Stadt fuhren, hat sie immer gesagt,: "Wenn du nicht artig bist, verkaufe ich dich bei Jacobsen in der Fischabteilung". In meiner Persönlichkeitsentwicklung wurde ich stark eingeschränkt, es galt in unserer Familie nur eine Meinung und das war die meiner A-Eltern. Sie waren mit den meisten unserer Nachbarn, wir bewohnten ein Reihenhaus, zerstritten. Ich durfte mit den Kindern dieser Nachbarn nicht spielen, tat ich es in einem unbeobachteten Moment trotzdem, und wurde ich dabei von meiner A-Mutter erwischt, mußte ich sofort in mein Zimmer. Damals habe ich mich oft gefragt warum meine Eltern immer so negativ gegen viele Leute eingestellt sind und ich eigentlich immer alle so positiv sehe. Als ich 10 Jahre alt war, im 4. Grundschuljahr, sah ich eine Eintragung im Klassenbuch, wo hinter meinem Nachnamen ein anderer Name stand mit dem Vermerk geborene "Kramp". Ich war ziemlich erschrocken, traurig aber auch irgendwie in meiner Annahme, daß zwischen mir und meinen A-Eltern etwas nicht stimmt, verstärkt. Ich bin mit dem Klassenbuch nach Hause gelaufen und habe es meiner A-Mutter gezeigt. Sie hat die "Sache" in der Schule geklärt und mir unter Tränen recht glaubhaft versichert, daß das eine Verwechslung sei. In dem Glauben lebte ich dann weiter bis 1968, als mein heutiger Ehemann und ich das Aufgebot bestellen wollten, und dafür meine Geburtsurkunde brauchten. Meine A-Eltern haben mich von einem Tag auf den anderen vertröstet, so daß ich ungeduldig wurde und selber danach suchte. Ich wurde fündig und das, was ich schon länger vermutet hatte, bestätigte sich.

Ich habe dann aber meiner Mutter die Chance gegeben, mich selber davon zu unterrichten, daß ich adoptiert wurde. Es war für sie eine höchst peinliche Geschichte. Sie erzählte mir, daß meine Mutter mich nicht behalten durfte, weil ihr Vater das nicht wollte, und daß sie mit 22 Jahren an TBC gestorben wäre. Mein Vater wäre Architekt gewesen und sei mit seiner Frau nach Amerika ausgewandert. Ich mußte meiner Mutter versprechen, daß ich solange sie (meine A-Eltern) leben, keine Nachforschungen anstellen werde.

Bis zum Tod meines A-Vaters (1993), den ich, trotz des nach meiner Hochzeit und des unangenehmen Aufklärungsgespräches meine Herkunft betreffend immer schlechter werdenden Verhältnisses, liebevoll bis dahin versorgt habe, habe ich das mir abverlangte Versprechen eingehalten. Aber dann wollte ich es wissen und habe über die Adoptionsstelle im Rathaus Informationen zum Wohnort und Geburtsdatum meiner leiblichen Mutter bekommen, vom Vater verloren sich die Spuren.

Ich habe mich dann ganz vorsichtig mit einem Brief an meine leibliche Mutter gewandt, in dem ich mich und meine Familie vorstellte und ihr schrieb, daß es mir sehr gut geht und ich eigentlich nur einmal wissen möchte wie sie aussieht und ob sie auch Interesse hat, mich einmal kennenzulernen. Ich habe wohlweislich nicht danach gefragt, wie ihre Beziehung zu meinem Vater war und warum sie mich weggegeben hat. Diese erste Annäherung wurde leider von ihrem Lebensgefährten (ihr Ehemann war schon verstorben) als bösartige Verwechslung abgetan, denn seine Lebensgefährtin hätte keine außerehelichen Kinder.

Ich war so enttäuscht, daß ich erst mal alles lange ruhen ließ. - Aber von Zeit zu Zeit quälte mich der Gedanke immer wieder "Warum bin ich so wie ich bin, warum traue ich mich nicht meine eigenen Standpunkte zu vertreten, warum habe ich immer Angst nicht geliebt zu werden, warum versuche ich immer es allen Recht zu machen?" Das muß doch alles irgendwo seinen Ursprung haben.

Kollegen und Kolleginnen ermunterten mich Anfang 1998 im Internet nach meinem Vater zu suchen. Dort wurde ich sofort fündig. Es paßte alles: Er war Architekt, wohnte in dem Ort, wo auch meine leibliche Mutter herkam, und gab mir, als ich ihn anrief, mich mit meinem Vornamen vorstellte und ihm sagte wann ich geboren wurde, zur Antwort: "Ja mein Kind, ich bin dein leiblicher Vater und ich freue mich, daß du mich gefunden hast."
Es entwickelte sich nicht nur zu ihm, seiner Frau und zu den beiden Halbschwestern, nein auch zu allen anderen Familienangehörigen und Freunden ein sehr, sehr gutes, liebevolles Verhältnis. Ich fühlte mich sehr wohl in seiner Nähe; wir stellten sehr viel Gemeinsamkeiten fest, sogar hatte ich eine verblüffende äußerliche Ähnlichkeit mit ihm. Ich war sehr stolz auf meinen Vater und meine neue Familie und fühlte mich endlich so richtig bedingungslos geliebt. (Nicht, daß ich mich von meinem Mann und meinen Kindern nicht geliebt fühle, aber das ist etwas ganz anderes). Mein Vater erzählte mir, daß das mit meiner Mutter ein "einmaliges Erlebnis" war und er mit ihr kein Verhältnis hatte. Als sie im 7. Monat schwanger war hat sie versucht abzutreiben, - wie man liest, ist es ihr nicht gelungen. Mein Vater hatte nie wieder Kontakt zu ihr, er wußte auch nicht wo sie wohnt. Er konnte es nicht verstehen, daß sie meine Existenz verleugnet und hat mir aber abgeraten, sie persönlich aufzusuchen. Er meint, es könnte eine zu große Enttäuschung sein. Mein Vater starb leider im September 1999. Der Kontakt zur Familie ist noch inniger geworden.

Anfang 2000 startete meine Kollegin einen erneuten Versuch wenigstens einen telefonischen Kontakt zwischen meiner leiblichen Mutter und mir herzustellen. Sie lehnte es ausdrücklich ab, mit der Begründung, daß sie mit dieser Sache abgeschlossen hätte und legte dann den Hörer auf.

Den nächsten Versuch startete ich im März 2001, in dem ich mich in der Nähe ihrer Wohnung aufhielt, sie per Handy anrief und um einen Besuchstermin gebettelt habe. Nach mehrmaligem Bitten von mir, sie doch bitte nur einmal sehen zu dürfen, hat sie drei mal wiederholt: "Nein danke, ich habe keinen Bedarf!" und beendete damit das Gespräch ihrerseits. Ich bin so traurig, enttäuscht, verbittert und jetzt sogar mit so viel Haß gegen diese Frau erfüllt, daß ich mich nicht mehr traue, einfach bei ihr zu klingeln und abzuwarten was passiert.

Übrigens meine A-Mutter ist jetzt 80 Jahre alt, leidet an Alters-Demenz, ist phasenweise krankheitsbedingt sehr bösartig und lebt in einem Alten- und Pflegeheim, etwa 45 km von mir entfernt. Sie weiß von meinen Erfahrungen, die ich in den letzen Jahren gemacht habe, nichts. Ich glaube auch nicht, daß sie überhaupt noch weiß, daß ich nur ihre A-Tochter und nicht ihr leibliches Kind bin. Sie hat es immer schon verdrängt und ich spreche auch nicht mit ihr darüber. Ich besuche sie jeden Freitag und ich glaube, sie liebt mich auf ihre Weise auch sehr.

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