Petras Geschichte

Ich lebe!

Petra, eine Adoptierte

Meine Name ist Petra Thomsen, ich wurde am 5. April 1968 in Hamburg geboren.
Meine leibliche Mutter gab mich zur Adoption frei. 8 Monate später wurde ich von meinen Eltern ( es sind für mich meine Eltern!! ) adoptiert. Sie überschütteten mich mit all ihrer Liebe und haben mir an nichts fehlen lassen. Von Anfang an wuchs ich in dem Bewußtsein auf adoptiert zu sein. Alle meine Fragen hierüber wurden von meinen Eltern stets offen und aufrichtig beantwortet. Das war gut so. Meine Kindheit habe ich als wunderschön in Erinnerung. Wenn es die Zeit erlaubte, haben wir viel zusammen unternommen. Ich denke gerne und viel daran zurück. Die einzige Wolke an " meinem Kinderhimmel " war diese Traurigkeit, die mich immer wieder überfiel. Dann zog ich mich völlig zurück und grenzte mich aus. Niemand kam an mich heran.

Zeitsprung
Als ich älter wurde, wuchs der Wunsch in mir, mich auf die Suche nach meinen Wurzeln zu begeben. Meine Eltern hatten zum Glück einen ganzen Haufen Dokumente über meine Adoption. Dann folgte der " klassische" Weg. Gespräche beim Jugendamt....etc. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht volljährig und meine Eltern begleiteten und unterstützten alle meine Unternehmungen. Kurze Zeit später fand ich meine Schwester. ( Ich fasse das jetzt mal in Kurzform)

Wir trafen uns, aber diese Begegnung hatte irgendwie keinen "Tiefgang". Der Kontakt riß ab. Was aber für mich auch okay war.

Ich kann hier nicht alle Achterbahnfahrten meines (Gefühls )-lebens schildern, es würde einfach den Rahmen sprengen.
Trotzdem möchte ich aus diesem Lebensabschnitt ( 15 Jahre - 20 Jahre ) noch erzählen. In diesem Zeitraum kristallisierten sich bestimmte Verhaltensweisen immer mehr heraus.

Ich nahm Drogen, ich trank, ich wechselte die Männer wie andere Leute ihre....naja. Ich prügelte mich, ich verkaufte mich, ich wurde verprügelt.... aber ich blieb am Leben. Hört sich krass an, war auch krass!

.noch'n Zeitsprung
Mit 21 Jahren wurde ich schwanger. Kurz darauf heiratete ich den Vater des Kindes. Die Ehe hielt 12 Jahre. Mein Sohn Maurice( 12 Jahre ) lebt bei seinem Vater. Auch während dieser ganzen langen Zeit verlief mein Leben immer wieder exessiv. Nicht permanent, aber mit einer immer wiederkehrenden Regelmäßigkeit. Zeit meines Lebens war ich in Unruhe, ständig auf der Suche, brach aus meinem Leben aus......und fragte mich immer und immer wieder WARUM? WARUM? WARUM? Warum bist Du bloß so??? Ich gab mir an allem die Schuld und fand mich einfah zum kotzen!! Ich wurde neurotisch, depressiv, bekam Angstzustände und Panikattacken, machte zunehmend komplett dicht und lebte in meiner "Schattenwelt" voller Abgründe. Wollte, wie schon so oft, nicht mehr leben. Es folgte eine stationäre Aufnahme in einer psychosomatischen Klinik, verschiedene Anläufe bezüglich Gesprächstherapien.....

.last but not least
Heute, als erwachsene Adoptierte, bin ich in der (glücklichen ) Lage, viele meiner Verhaltensmuster- und Strategien zu deuten. Der Weg bis hierherzu diesem " Erkennen " ist oft sehr hart gewesen und ich weiß, dass meine immer wiederkehrenden "Ausbrüche" ein ständiges Suchen und gleichzeitiges Davonlaufen waren. Mir ist klar geworden, dass ich in meinem bisherigen Leben gar nicht imstande war "anders" zu agieren oder reagieren. Vor relativ kurzer Zeit habe ich die Bestätigung erhalten, dass ( ich habe das niiiieee glauben können ) die Trennung von der leiblichen Mutter tatsächlich der Dreh- und Angelpunkt für meine Verhaltensweisen sind. Es ist in meinem Fall ein traumatisches Erlebnis gewesen, welches mich bis heute begleitet. Ein großer Dank an dieser Stelle an meine leibliche Mutter, die ich vor 8 Wochen kennengelernt habe. Sie hat mir die dramatischen Umstände meiner Geburt geschildert, die für mich das ganz große Schlüsselerlebnis ist. Ich versuche mich auch hier kurz zu fassen. ;-) .......sie saß auf einer Art Gebärstuhl an Hand- und Fußgelenken fixiert, d.h. festgeschnallt. Die Hebamme war überaus grob und meiner Mutter feindlich gestimmt, weil sie ihr Kind "einfach so" weggeben wollte. Die Entbindung war schwierig und zog sich hin. Als ich endlich das Licht der Welt erblickte, wurde meine Mutter von ihren "Fesseln" befreit und fragte die Hebamme " Was ist es denn? Junge ? Mädchen?" Die Hebamme erwiderte " Es ist ein Mädchen. Hoffentlich wird es nicht wie Sie und gibt ihre Kinder auch einfach weg!!!!!!!" Darauf rastete meine Mutter aus, schlug um sich und schrie.... .und ich kam weg von Ihr. Das war's.

Wenn ich mir heute diesen hochsensiblen Moment einer Geburt vor Augen halte, aus der Sicht eines Neugeborenen und erlebe als "Willkommen kleines zartes Wesen in dieser Welt" nur Geschrei, Panik, Hektik und ich weiß nicht was noch alles, anstatt lieber Worte, zärtlicher Berührungen, überhaupt die Nähe der Mama, auf ihre Brust gelegt zu werden, Glück und Freude.....dann wird mir so Einiges klar. Heute weiß ich, damals als Neugeborenes hatte ich Angst um mein Leben, ich konnte diese Situation unmöglich fassen und begreifen, nichts lief so ab, wie es wünschenswert oder "normal" gewesen wäre. Das mein Leben so krasse Ausschläge hat und mit der Trennung meiner Mutter in Verbindung zu bringen ist, ist mir mit Hilfe meiner Therapeutin klar geworden. Seit dieser Erkenntnis stelle ich an mir selber fest, dass ich "weicher" mit mir umgehe. Nicht immer, aber immer wieder. Und ich gehe zum Weinen auch nicht mehr in den Keller. Hört sich ein bißchen platt an, ist aber sinngemäß korrekt.

Fakt ist, dass ich immer wenn ich "meine Welt" betrete ( ausgelöst durch die verschiedensten Situationen ), wo nur noch der nackte Überlebenswunsch steht, ich die Trennung meiner Mutter durchlebe mit all ihren Facetten. Horror! Noch etwas. Jetzt, wo ich mich der ganzen Sache stelle und nicht mehr weglaufe habe ich zwei ganz unglaubliche Träume gehabt. Ich träumte von einem Baby mit große Augen, die erstaunt und neugierig in die Welt blickten. Dieses Baby konnte sprechen wie Erwachsene es tun. Es redete wie ein Wasserfall, wild gestikulierend. Viele Leute standen um diese Baby herum. Ich stand sozusagen in zweiter Reihe und hatte das starke Gefühl es sprach zu mir. Ich wollte dieses Baby "haben", es auf den Arm nehmen und ihm zuhören. Ich kam aber nicht heran.... Heute weiß ich, dass ich dieses Baby bin und es mir so viel zu sagen hat. Irgendwann werde ich dieses Baby in den Armen halten und es hören können und mich damit dann auch selbst annehmen und lieben können.

Und genau das gibt mir die Kraft und Zuversicht weiterzumachen. 34 Jahre lang kämpfe ich gegen " böse Geister ". Aber ich weiß mittlerweile, dass es ein Ende geben wird und dann bin ich frei. Darüber hinaus nehme ich aus meinem Leben Fähigkeiten mit sich in andere Menschen einzufinden, wo viele Leute Verständnis zeigen, es aber nicht wirklich empfinden können und das empfinde ich als großes Geschenk.

Ich wünsche allen " Eltern " die den Wunsch haben ein Kind zu adoptieren ganz viel Zuversicht. Allen Adoptierten, die auch ihr Päckchen zu tragen haben, möchte ich mit meiner Geschichte Mut machen und Kraft geben !!

Wenn Du Fragen hast, dann frag'. Ich bin um keine Antwort verlegen!! ;-))
Petra Thomsen

Meine E-Mail: Bonnie-Kleid@foni.net