Annes Geschichte

...ein Adoptions-Opfer

 

Auch ich bin ein sogenanntes "Adoptions-Opfer". Für manche mag dieser Ausdruck zwar etwas ungewohnt sein, ich empfinde es aber so.
Ich bin 38 Jahre alt und wurde in einem kleinen, erzkonservativen, Dorf in den Niederlanden geboren. Mein Großvater war dort Pfaffer. Ein tolles Umfeld für ein unerwünschtes Kind! Meine Mutter war gerade 17 geworden und hatte die Beziehung zu meinem Vater ca. 2 Monate vor meiner Geburt beendet. Es war aber auch schon vorher klar daß sie ihn nie heiraten würde, war er doch angeblich nicht gut genug. Mein Vater kam aus einer Arbeiterfamilie und nicht gerade intellektuell behaftet. Das er sein Leben gut gemeistert hat und jetzt ein erfolgreicher Geschäftsmann ist, ist eine andere Geschichte.

Meine Mutter hat ihre Schwangerschaft so gut es ging geheim gehalten. Ausser Familie wußte niemand davon. Sie hat sich sogar am Blinddarm operieren lassen, die möglichen Folgen der Narkose waren ihr offenbar egal. Mein Vater war deshalb sehr beunruhigt. Da die beiden aber nicht verheiratet waren, konnte er nicht einschreiten.

Zur Zeit meiner Geburt waren meine Großeltern in Urlaub, meine Mutter wurde von einer Nachbarin ins Krankenhaus gefahren. Nach 5 Tagen kamen meine Großeltern ins Krankenhaus und von dem Moment an nahm mein leben seinen Lauf. Ich wurde zur Adoption freigegeben. Meine Mutter erzählte den Behörden sie sei vergewaltigt worden. Dies stimmte zwar nicht, es erleichterte aber die ganze Sache enorm. Meine Familie wollte mich unbedingt loswerden. Nicht aus einer Notlage heraus, ich war nur lästig und würde das weitere unkomplizierte Zusammenleben nur stören. Finanzielle Folgen, egal welcher Art, wollten sie auch nicht tragen. Wohl aber wollten sie am Anfang noch bestimmen wo ich denn hinkommen sollte. Aber auch dieses Interesse ließ nach kurzer Zeit nach und dann war es wohl egal. Ich kam in ein Heim der Heilsarmee. Ich war ca. 9 Monate als ich adoptiert worden bin, kann mich also nicht mehr daran erinnern. Ich habe nur noch wenige Bilder aus der Zeit.Bei meiner neuen Familie war es im großen und ganzen o.k., ich habe mich aber immer als Aussenseiter gefühlt. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Mein Vater hat nie erfahren wo ich war. Meine Mutter hat ihn erzählt ich sei in Amerika. Erneut eine Lüge. Da mein Vater keine Angaben hatte konnte er mich auch nie suchen. Er hätte mich gerne bei sich aufgenommen, dies wurde aber von der Familie meiner Mutter verhindert. Er hat mich nur 1 x kurz nach der Geburt gesehen.

Vor ca. 2 Jahren habe ich die beiden ausfindig gemacht- das ist in den Niederlanden völlig unproblematisch!-und besucht. Der Besuch bei meinem Vater und seiner Familie war sehr schön. Alle waren sehr offen, herzlich und interessiert. Ich habe mehrere Halbgeschwister, eine Schwester sieht mir sehr ähnlich. Sie heisst auch Anne- was für einen Zufall! Es gibt noch einen sporadischen Kontakt. Das Problem ist, daß es keine gemeinsame Vergangenheit gibt. Das erschwert dies Sache ungemein.

Die Begegnung mit meiner Mutter war, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, sehr unerfreulich. Am Telefon gab Sie an zu einem klärenden Gespräch bereitzusein. Danach müßte die Sache aber beendet sein. Eine gute Voraussetzung für ein Zusammentreffen. Sie kam mit meinem Halbbruder(ihrerseits habe ich auch noch eine Halbschwester). Er ist jünger und wußte von mir eigentlich nur durch die Erzählunegn seiner Mutter. Diese hatte ihr ganzes Leben Lügen verbreitet, er hatte also eigentlich gar keine Ahnung über die Wirklichkeit. Ich stellte Fragen, sie gab kaum Antworten. Dafür sprach ihr Sohn um so mehr. Im Endeffekt ist nichts dabei rausgekommen. Es war wirklich sehr enttäuschend. Sie interessierte sich nicht die Bohne für meine Vergangenheit und wie ich mein Leben gemeistert habe. Ihre beiden Kinden fanden es ausserdem völlig normal daß sie micht wie ein Stück Dreck behandelt hat und immer noch behandelt. Schlimm ist-Sie ist mein Ebenbild und hatte sogar die gleiche Kleidung wie ich. Schrecklich, soviele Gemeinsamkeiten!

Ich habe ihr anschliessend noch einen Brief geschrieben aber dieser wurde nur brusk beantwortet. Für sie ist die Sache erledigt, sie sieht sich selbst als Opfer. Meine Gefühle sind ganz offensichtlich egal. Es ist mir unbegreiflich wie eine Frau sich so verhalten kann.

Am Anfang war ich nur neugierig und wollte wissen wo ich her kommen und was geschehen ist. Diese Gefühle haben sich aber, nach dem Treffen mit meiner Mutter schlagartig verändert. Ich verachte diese Frau zutiefst! Ich denke ständig an die Adoption und wie es hätte sein können, hätte sie mich nur zu meinem Vater gelassen.Aber das hat sie ihn und mir wohl nicht gegönnt.Rache ist sicherlich nicht der richtige Weg Ungerechtigkeiten zu klären. Ich glaube auch nicht daß es mir wirklich helfen würde. Aber manchmal frage ich mich wie es wohl wäre wenn ich ihr Leben zerstören würde, genau so wie sie es mit mir getan hat. Mein Gefühlsleben jedenfalls ist auf der Strecke geblieben. Wirkliche Gefühle konnte und kann ich nie äussern. Ich hatte nie Freunde, aus Angst diese zu verlieren. Auch meine 1. Ehe ist in die Brüche gegangen, meine beiden Töchtern wohnen beim Vater. In 2. Ehe habe ich einen kleinen Sohn. Mit meinen Kindern kann ich zwar unbefangen umgehen und ihnen meine Zuneigung zeigen. Anderen gegenüber aber nicht.

Auch das Verhältnis zu meinen A-Ältern ist problematisch. Ich habe mich immer als Aussenseiter gesehen und mich abgekapselt. Zu meinem A-Vater und meiner A-Schwester habe ich einigermaßen Kontakt. Zu meiner A-Mutter nicht. Sie hat mich mit ihrer Zuneigung fast erdruckt und nervt mit mit ihren emotionalen Ausbrüchen gewaltig. Dabei habe ich sie warscheinlich nur abgelehnt, weil sie nicht meine wirkliche Mutter ist. Ich habe auch früher gesagt auf sie brauche ich nicht hören, denn sie wäre nicht meine richtige Mutter. Kinder können grausam sein! Sie hat sicherlich ihr Bestes versucht.

Ich könnte noch Stunden weiter schreiben aber das würde sicherlich den Rahmen sprengen.
Ich muß mich damit abfinden das diese Sache mich bis zu meinem Lebensende begleiten wird.

Anne

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