Martinas Geschichte

Ich heiße Martina und wurde am 30.10.62 in Kassel geboren.

Meine Mutter war verheiratet, aber mein Vater war nicht ihr Ehemann.Im Alter von einigen Wochen kam ich zu meinen Adoptiveltern nach Köln.Leider waren sie sehr strenge und lieblose Eltern.Meine Kindheit war geprägt von Strenge, Vorwürfen,Verboten und Forderungen.Als ich älter wurde,bekam ich oft zu hören,sie würden mich wieder ins Heim schicken,wenn ich mich nicht benehmen würde.Ich konnte damit nichts anfangen,da ich erst mit ca.12 Jahren von meiner Adoption erfahren habe.Ich weiß heute nur noch, das ich immer versucht habe, die Liebe und Annerkennung meiner Adoptiveltern zu gewinnen, und das es mir bis heute nicht gelungen ist.Es gibt einen Satz, der dieses Dilemma deutlich macht: Ich fragte meine A Mutter eines Tages nach einem Streit,ob sie mich überhaupt lieb hat, und sie antwortete:Wir können dich so nicht lieben, erst mußt du dich ordentlich benehmen! Diese Antwort hat seitdem mein ganzes Leben bestimmt.Seit ich denken kann, versuche ich,es allen recht zu machen,gehe jedem Streit und jedem Problem aus dem Weg, und meine eigenen Bedürfnisse habe ich immer verdrängt.

Heute weiß ich,das ich mein Leben lang auf der Suche nach Liebe und Annerkennung war,auf richtigen und auf falschen Wegen.Es gibt noch etwas,das mein Leben von klein auf bestimmt hat:Unruhe!!! Als Kind galt ich als hyperaktiv,schwer erziehbar,dumm, faul,meine Schulzeugnisse waren zu klein, um all die negativen Bemerkungen über mich aufzunehmen.Ich konnte nie lange stillsitzen,war immer draußen,immer in Bewegung,bin mehrmals von zu Hause weggelaufen und wußte nie, was ich eigentlich wollte.Ich hatte tausend Ideen und konnte sie nie zu Ende bringen.Auch heute ist das noch so, nur viel extremer.Seit ich 18 bin, bin ich ca.20 mal umgezogen,das Wort "Ausruhen" gibt es in meinem Kopf nicht,der Tag hat viel zu wenig Stunden und mehr als 2 - 3 Std. kann ich seit Jahren nicht mehr schlafen. Irgendwann in meiner Kindheit entwickelte sich aus all diesen Erlebnissen ein starkes Bedürfniss, mich selbst zu zerstören.Es fing an mit Sportverletzungen,selbst verursachten Unfällen,später Alkohol - und Medikamentensucht,3 Selbstmordversuche,schlagende Männer,und vieles mehr.

1989 lernte ich meinen späteren Mann kennen, durch eine Annonce.Ihm zuliebe machte ich eine 4 - monatige Langzeittherapie ( nur eine von vielen Therapien in meinem Leben) in einer Klinik für Suchterkrankungen und 1990 heirateten wir.1990 und 1995 wurden unsere Kinder geboren und ich wußte zum ersten mal, was es heißt, einen Menschen zu lieben,einfach weil er da ist! Damals wurde mir auch klar,warum ich überhaupt geheiratet hatte.Da war ein Mensch,der mir sagte,er liebt mich und das allein war wichtig.Nun ja, durch meine Beziehungsunfähigkeit und durch viele andere Ereignisse ging die Ehe kaputt.2000 wurde ich geschieden und bin seitdem mit meinen Söhnen alleine. Durch sie gibt es jetzt etwas Ruhe und Stabilität in meinem Leben,sie brauchen mich und sie haben ein Recht auf eine glückliche Kindheit. Daher habe ich 2000 wieder eine ambulante Therapie begonnen.

Und so kam ich auch wieder zu dem Thema der Adoption. Ich habe dieses immer verdrängt, es hat für mich nie existiert,es tat viel zu weh! Was ist nun das "Geburtstagsphänomen"? Seit ca. 10 Jahren ereignet sich jedes Jahr das gleiche: Ungefähr 1 Woche vor meinem Geburtstag werde ich sehr depressiv,aggressiv,extrem unruhig,trinke wieder, esse bis zum Erbrechen und verletze mich wieder selber.

Meinen Geburtstag verbringe ich dann in einem Zustand der jedes Denken ausschließt.Am Tag danach habe ich jedesmal das Gefühl, plötzlich wieder aufzuwachen und frage mich,was passiert ist.Den Rest des Jahres verbringe ich völlig normal,habe meine Neigungen im Griff, bis zum nächsten Geburtstag. Mein Therapeut hat mir 2002 dann ausgerechnet an meinem Geburtstag eine Therapiestunde verordnet.Nachdem ich die ganze Stunde nur geweint habe und keinen vernünftigen Satz zustande bringen konnte, fragte er mich plötzlich: Was bedeutet Geburtstag für Sie? Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken,antwortete ich: Das ist der Tag, an dem meine Mutter mich nicht haben wollte! Und das war es. Ich hatte die Quelle all dessen, was mein Leben bestimmt hat,gefunden. Dieses Gefühl,nicht gewollt zu sein,ja im Grunde nicht existieren zu dürfen,hat schon in meiner Kindheit einen Schmerz verursacht,der irgendwo in meinem Körper saß,und den ich nie verstehen konnte.

Er hat nicht nur meine Gefühle bestimmt, er hat auch zu einer Reihe von "psychosomatischen" Krankheiten (Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Rheuma, Herzproblemen, Panikattacken etc.) geführt.

Ich habe die Therapie dann abgebrochen,ich konnte es nicht ertragen darüber nachzudenken,mich damit zu beschäftigen. Irgendwie dachte ich,wenn ich die Ursache meiner Probleme kenne,finde ich auch eine Lösung. Seitdem habe ich viele Dinge in meinem Leben geändert.Ich gehe wieder nach draußen,zu anderen Menschen,kümmere mich um meine Gesundheit,treibe Sport,lasse meine Gefühle zu und habe jetzt angefangen,mich mit meiner Herkunft zu beschäftigen. Dieses Jahr verlief mein Geburtstag schon etwas besser,ich habe etwas mit meinen Kindern unternommen,nicht getrunken,und mich bewußt auf den Schmerz eingelassen.

Und so bin ich dann auch hier im Internet gelandet. Ich weiß, ich habe noch einen langen Weg vor mir,und ich würde mich sehr freuen,mich mit anderen über Ihre Erfahrungen austauschen zu können. Ich habe viele eurer Geschichten gelesen, und die Erkenntniss, das es anderen genauso oder ähnlich ergangen ist, wie mir,hat mir sehr geholfen. Man kann nicht alle Probleme lösen, aber man kann lernen, mit ihnen zu leben!

Erreichen können mich alle,die möchten, unter Martina.Schneider3@gmx.de